21.09.2013, der "Almhalter Ernest ....." Maier

Almhalter-ein Leben in Freiheit
Sangesbruder Ernest Maier hat uns heuer im Sommer für längere Zeit verlassen, um auf der Roßbach - Pussoralm das Leben eines Almhalters auszuüben. Für viele von uns die Vorstellung von Romantik und Leben in unberührter Natur. Was sagt Ernstl dazu:
Almhalter, Almerer, Senner oder sonst eine Tätigkeit auf der Alm, alles scheint, wie du schon meintest, voll Romantik und Leben in der Natur. Oft wird die Alm aber missbraucht in der Werbung, anlässlich von Veranstaltungen und sonstigen Dinge, ob es um gesunde Lebensmittel geht oder um erholsamen Urlaub. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Wie wird man Almerer, wie ist das Leben wirklich, ist jeder dazu geeignet? Dazu ein paar Gedanken und eigenen Erfahrungen.

"Unsere Zeit ist schnelllebig, voller Ansprüche des Lebens und eingebunden in die sogenannte Zivilisation. Um dieses Eingespanntsein zu verlassen, da ist die Alm eine Alternative. Ich war und bin ein Almhalter, richtig gesagt, ein Viehhalter auf einer Alm. Die Liebe zu einer derartigen Arbeit muss wachsen, kann aber auch als Quereinsteiger funktionieren.

Meine Almkarriere hat ihren Hintergrund schon in den Kindertagen. Als 7-jähriger Bub war ich alle Schulferien in den Bergen, auf einem Bergbauernhof von meinem Onkel in der Obersteiermark, in Oberzeiring, auf 1100m Höhe. Schon seit damals war das "Viechgehn", das heißt, der Besuch der Kalbinnen und der Terzen (Ochsen) auf der Alm für mich prägnant. Bewundert habe ich damals die Arbeit der Halter und Hüttenbewirtschafter, damals noch sehr rustikal, mit Rauchkuchl und Wasser vom Brunntrog, In dieser Zeit entstand mein Wunsch irgendwann einmal selbst Halter zu sein. Die Wanderungen und das Schauen, wie ist das Vieh beinand, waren Momente, die sich immer im Herzen festsetzten.  Das sogenannte Almvirus hatte mich schon in diesen Kindertagen infiziert. Selbst nach 10, 20 oder noch mehr Jahren im Arbeitsleben war der Wunsch nach einer Almtätigkeit ungebrochen. In dieser Zeit kam  von mir öfters die Ansage: "Und irgendwann gehe ich auf die Alm".

Es war zu Weihnachten 2010, da kam ich zu einer Internetseite, wo ein Kurs für Almpersonal vorgestellt wurde. Zum Anmelden war es schon zu spät, aber der Gedanke, diesen Kurs ein Jahr später zu besuchen, war fest im Unterbewusstsein verankert.
Im Herbst 2011 meldete ich mich für einen Zertifikatslehrgang "Almpersonal" in der Bergbauernberufsschule Hohenlehen in Niederösterreich an.
Der Ort  
das liegt bei Hollenstein in der Nähe vom Hochkar. Diese Ausbildung dauerte etwa 4 Wochen, verteilt auf 5 Termine, übers Jahr verteilt.
Die Prüfung war nicht ganz einfach, und hatte 3 Säulen. Erst einmal eine schriftliche Prüfung über 2 Stunden, dann war noch als Sommerarbeit eine Alm vorzustellen. Wie eine kleine Diplomarbeit, mit Vorstellung vom Bewuchs, Bestoßung (Viehbesatz, die Anzahl der Nutztiere auf einer Weide oder Alm je Weidegrund), Klima und Analyse.
Zum Dritten war noch ein Herbarium gefragt, bei dem man mindestens 40 Almpflanzen, Gräser, Kräuter und Blumen, sowie Unkräuter bestimmen musste. Im Herbst 2012 schaffte ich diese Prüfung mit Auszeichnung.

Danach gings ans Suchen welche Alm und wo.
Einen Käsekurs der Milchwirtschaft in Rotholz hatte ich in der Zwischenzeit auch, deshalb kam auch eine Alm mit Käserei in Frage. Die Suche nach der richtigen Alm führte mich, sogar bis in die Schweiz. Aber nachdem das Gute so Nahe liegt. Der Obmann der Agrargemeinschaft Kainach hat mich angerufen. Er hatte mein Inserat gelesen und meinte, er sucht einen Halter für die Roßbach - Pussoralm. Nach kurzer Beratung waren wir einig. Ein Glücksfall. Ich kannte diese Alm schon sehr gut. da ich als Bauer schon jahrelang Vieh auf diese Alm getrieben hatte.

Zum großen Glück, ich steh ja noch immer in einem Arbeitsverhältnis, hatte ich in meinen Dienstjahren sehr viel Urlaub angesammelt.
Da ich knapp 3 Jahre vor meiner Pensionierung stehe, wurde mir diese "Auszeit" genehmigt, und bis zu meinem Ruhestand kann ich sicher nochmal meinen Almsommer wiederholen, und in der Pension will ich dieses Almleben  sowieso weiterführen".


Wie war nun deine Tätigkeit auf der Alm?
"Mit dem Auftrieb Anfang Juni beginnt die Saison, und endet mit dem Abtrieb Ende September. Wer glaubt, dass es sich um Urlaub handelt liegt ein wenig falsch. Der Arbeitstag hat auch schon mal 16 Stunden. Ich hatte ja über 50 Mutterkühe, 8 Ochsen und 32 Pferde zu betreuen.

Der Tag fing schon vor Sonnenaufgang an, und endete mit dem Sonnenuntergang. Da die Mutterkühe auch kalben, geht der Halter bis zu 4 mal am Tag nachschauen, hat eine Kuh gekalbt oder nicht. Nachdem das Gebiet sehr weitläufig ist, dauerte der morgendliche Wandertag oft 3 und mehr Stunden. Über den Tag kommen gelegentlich ein paar Wanderer, für die man eine Jause richten soll, und mit denen der Halter ein wenig plaudern kann. Abends wieder eine kurze Visite beim Vieh, so bleibt für Müßiggang wenig Zeit. Die Hütte verlangt nach Pflege und das Brennholz für den nächsten Sommer will auch gemacht werden. Zeit zum "Umiliegn" ist nur bei Schlechtwetterphasen und Nebelwetter möglich. Das Einzigartige ist das zeitlose Arbeiten, die Natur gibt den Rhythmus vor, und keine Stempeluhr stresst mit Zeitvorgaben. Dieser Einklang mit der Umwelt und der Natur schafft eben diese Romantik, die das sogenannte Almleben mit sich bringt. Die Sensibilität für das Geschehen in diesem Habitat muss vorhanden sein, das Krächzen der Raben muss dir genauso auffallen wie das plätschern der Bäche und das Rauschen des Waldes, das ist Kommunikation mit der Natur und der Mutter Erde. Dieses Erleben und diese einzigartige Freiheit behält man im Herzen, und lässt den Abstand zu Vielem in unserer Zivilisation wachsen, auf der Alm ist kein Fernseher, der Laptop ist im Tal, und das Handy funktioniert nur bei Schönwetter, was für ein schönes Leben.


Mein Wunsch ist nur, dass die Almwirtschaft in Österreich einen höheren Stellenwert erreicht, ähnlich wie in der Schweiz, und das die ethischen Aspekte der Alm mehr beachtet werden".

Herzlichen Dank für diese Schilderung aus deinem Almleben.
Erwin Wutte